Das Mobilitätsangebot in Oberkirch wächst

Im Interview: Christian Jakob und Stephan Hielscher von der Initiative Oberkirch Mobil

Das Mobilitätsnetzwerk Ortenau arbeitet weiter an der Vergrößerung seines Angebots an EinfachMobil-Mobilitätsstationen. Ende 2024 wurden hierfür unter anderem in der Stadt Oberkirch zwei weitere Standorte eingeweiht, an denen die Bürger:innen – sowie Gäste der Stadt – die angebotenen E-Carsharing-Fahrzeuge, Fahrräder und Pedelecs mieten und zurückgeben können.

Zur Einweihung in der Franz-Schubert-Straße und am Bahnhof des Teilorts Zusenhofen empfingen Bürgermeister Christoph Lipps, Ortsvorsteherin Tanja Weinzierle und der Mobilitätsbeauftragte der Stadt, Samer Nastah weitere an Planung und Bau Beteiligte direkt an den beiden neuen Mobilitätsstationen. Anwesend waren auch Vertreter der Stadtwerke Oberkirch und der Initiative Oberkirch Mobil

Heinrich Althausen vom Netzwerkmanagement des Mobilitätsnetzwerks Ortenau konnte in diesem Rahmen mit den beiden engagierten Oberkircher Bürgern und Gründern der Initiative Oberkirch Mobil Christian Jakob und Stephan Hielscher sprechen und erfahren, wie es aus ihrer Sicht um das Mobilitätsangebot für die Bürger:innen Oberkirchs und in der Ortenau steht.

Seit wann gibt es die Initiative Oberkirch Mobil und was sind Ihre wichtigsten Anliegen?

S. Hielscher: Die Initiative Oberkirch Mobil wurde im Jahr 2020 von Christian Jakob und mir gegründet. Wir sind der Überzeugung, dass die Verkehrswende nicht allein staatlich angeordnet werden kann. Die Berücksichtigung der Bedarfe und Ideen der Oberkircher Bürger:innen ist Grundlage für die Umsetzung dieses Wandels. Nachhaltige Mobilität bedeutet, dass für den Verkehr nicht mehr Energie oder andere Ressourcen wie saubere Luft verbraucht werden, als unser Planet bereitstellen kann.

C. Jakob: Unser Ziel ist es, den Verkehr in Oberkirch nachhaltiger zu gestalten, indem wir für emissionsfreie Mobilitätsalternativen werben und bestehende Möglichkeiten ausbauen. Zudem sollen neue Angebote wie Carsharing und Leih-Lastenräder geschaffen werden.

Wie schätzen Sie derzeit die Möglichkeiten der Oberkircher:innen ein, sich ohne eigenes Auto im Alltag fortzubewegen?

C. Jakob: Hierbei ist es wichtig, zwischen der Kernstadt und den Ortschaften zu differenzieren. Oberkirch ist mit Zug und Bus gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, wobei die Taktung verbessert werden könnte. Auch die Abstimmung des Nahverkehrs mit dem Fernverkehr, beispielsweise ab Offenburg, ist noch nicht optimal. Ebenso ist die Verbindung in Richtung Renchen und Achern ausbaufähig.

S. Hielscher: Durch die Kombination von ÖPNV und Carsharing wäre es in der Kernstadt bereits jetzt mit gewissen Einschränkungen möglich, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Die meisten Dinge des täglichen Bedarfs, wie Einkaufsmöglichkeiten und medizinische Versorgung, sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad gut erreichbar. Die Infrastruktur für Fahrradfahrer:innen in der Kernstadt ist allerdings noch ausbaufähig.

 

C. Jakob: Der bestehende Ringbus versucht zwar, die Ortschaften an die Kernstadt anzubinden, entspricht aber derzeit nicht den Bedürfnissen der Bürger:innen und wird überwiegend für die Schülerbeförderung genutzt. Die Fahrradwege von den Ortschaften in die Kernstadt sind größtenteils gut ausgebaut, sodass die Anbindung auf diesem Wege funktionieren könnte. Gleichzeitig ist diese Alternative für viele Bürger:innen in den Ortschaften nicht ausreichend, um gänzlich auf ein eigenes Auto zu verzichten. Daher wäre es sinnvoll, den Bedarf in den Ortschaften genauer zu analysieren und gegebenenfalls mit On-Demand-Angeboten oder Ruftaxen zu ergänzen.

S. Hielscher: Eine Ausnahme und ein hervorzuhebendes positives Beispiel stellt die Ortschaft Zusenhofen dar, die über einen Bahnhalt an der Renchtalstrecke und nun seit dem 19.12.2024 auch über eine EinfachMobil-Mobilitätsstation verfügt. Diese Infrastruktur bietet eine gute Voraussetzung für den Verzicht auf das eigene Auto.

"Eine barrierefreie Vernetzung aller Angebote würde die Akzeptanz sicher noch einmal deutlich erhöhen."


Die Schaffung von Mobilitätsstationen ist mit Kosten für den kommunalen Haushalt verbunden. Halten Sie diese Ausgaben für gerechtfertigt?

S. Hielscher: Jede Kommune ist für die Mobilität auf ihrem Gebiet verantwortlich. Es wird allgemein als selbstverständlich angesehen, Straßen und Parkplätze zu bauen und zu unterhalten. Daher ist eine Mitfinanzierung von nachhaltigen Mobilitätsangeboten aus unserer Sicht ebenfalls durchaus angemessen. 

Glücklicherweise erhält die Stadt ja auch Fördermittel vom Land für den Bau der Mobilitätsstationen. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn gerade ländliche Kommunen anfangs noch stärker durch Bundes- und Landesmittel unterstützt werden würden, um diese Angebote zu etablieren.

C. Jakob: Um nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum besser zu vermarkten und die Akzeptanz zu steigern, ist eine Zusammenarbeit zwischen Kommunen mit einem einheitlichen Mobilitätskonzept, wie es das Mobilitätsnetzwerk Ortenau verfolgt, besonders sinnvoll. Das einheitliche Design der EinfachMobil-Mobilitätsstationen hilft schon sehr dabei, die Identifikation der Nutzer:innen mit dem Angebot von Oberkirch über Offenburg bis Kehl und Lahr, von Seelbach bis Achern, zu erhöhen. 

Eine barrierefreie Vernetzung aller Angebote würde die Akzeptanz sicher noch einmal deutlich erhöhen; hierfür wäre aus meiner Sicht eine zentrale App oder Buchungsplattform sehr hilfreich. Leider wird dieser Wunsch durch die App „Ortenau Mobil“ des Landkreises bislang noch nicht vollumfänglich erfüllt. Hier sind technische Nachbesserungen notwendig.

"Mit den beiden Mobilitätsstationen und dem zentralen Carsharing-Angebot am Bahnhof ist die Kernstadt großflächig gut erschlossen."


Wie bewerten Sie die Standorte der beiden neuen Oberkircher Mobilitätsstationen in der Franz-Schubert-Straße und am Bahnhof Zusenhofen?

S. Hielscher: Mit den beiden Mobilitätsstationen und dem zentralen Carsharing-Angebot am Bahnhof ist die Kernstadt großflächig gut erschlossen. Die Angebote sind fußläufig oder mit dem Fahrrad gut erreichbar. Der neue Standort in der Franz-Schubert-Straße schafft ein weiteres Angebot für die angrenzenden Wohngebiete, in denen zunehmend junge Familien wohnen, die das Carsharing vermehrt nutzen werden. In diesem Gebiet gibt es nur wenige Stellplätze pro Wohneinheit, sodass die neue Mobilitätsstation dazu beitragen könnte, auf ein Zweit- oder Drittauto zu verzichten.

C. Jakob: Der Ortsteil Zusenhofen verfügt durch seinen Bahnhalt bereits über eine gute Anbindung. Die neue Mobilitätsstation ist ein weiterer Baustein, um den Verzicht auf das eigene Auto zu erleichtern und dabei trotzdem verlässlich mobil sein zu können. Die Verbindung zum Einkaufen oder für Arztbesuche nach Oberkirch oder Appenweier wird so vereinfacht und ist nicht mehr an die Zeiten des ÖPNV gebunden. 

Besonders vorteilhaft ist die Möglichkeit, Fahrräder oder Pedelecs an den Mobilitätsstationen auszuleihen und an einer anderen Station im Netz abzustellen. Dadurch, dass es am Bahnhof Appenweier ebenfalls eine Mobilitätsstation gibt, bleibt der Anschluss nach Oberkirch gesichert: Wenn Reisende mit dem Zug in Appenweier stranden und eine Stunde auf den Anschluss ins Renchtal warten müssten, können sie einfach ein Fahrrad ausleihen und nach Zusenhofen oder Oberkirch radeln. 

Die angebotenen E-Bikes erleichtern diese Entscheidung und sind damit die perfekte Ergänzung zum ÖPNV. Bei einem Jahrestarif von nextbike ist die erste halbe Stunde kostenfrei enthalten, was für diese Wege ausreichend ist. Dieses Beispiel zeigt, warum die interkommunale Zusammenarbeit von Appenweier und Oberkirch im Mobilitätsnetzwerk Ortenau so wichtig ist.

"Nur durch eine überregionale Vernetzung kann die Akzeptanz der nachhaltigen Mobilität steigen."


Was wünschen Sie sich von den Verantwortlichen der Stadt Oberkirch für die kommenden Jahre?

C. Jakob: Die Zusammenarbeit mit der Stadt Oberkirch und den Stadtwerken Oberkirch ist bereits gut. Dennoch stellt die Mobilitätswende im ländlichen Raum eine große Herausforderung dar. Mutige, innovative Entscheidungen könnten dazu beitragen, dass Oberkirch langfristig eine Vorreiterrolle einnimmt und als Wohnort noch attraktiver wird. Diese Rolle nimmt die Stadt Oberkirch derzeit leider nur zögerlich wahr. 

S. Hielscher: Die Stadt könnte zum Beispiel ihren eigenen Fuhrpark reduzieren und verstärkt das Carsharing-Angebot an den Mobilitätsstationen selbst nutzen. Dadurch würden die Fahrzeuge von Montag bis Freitag vormittags mehr genutzt und damit insgesamt besser ausgelastet. In den Nachmittags- und Abendstunden sowie am Wochenende werden die Fahrzeuge von den Bürger:innen der Stadt ja schon jetzt viel genutzt.

C. Jakob: Unter bestimmten Voraussetzungen ist es vielleicht auch denkbar, dass die Stadt ihren eigenen Fuhrpark in die Carsharing-Flotte integriert.

S. Hielscher: Die Verbesserung des innerstädtischen Radwegenetzes sollte konsequenter umgesetzt werden, auch wenn dies zu Einschränkungen für den Autoverkehr führen könnte. Neue Wohngebiete sollten mit langfristigen Verkehrskonzepten geplant werden. Stellplatzschlüssel könnten an Carsharing-Angebote gekoppelt oder bestimmte Gebiete autofrei gestaltet werden.

C. Jakob: Um die Mobilitätswende im ländlichen Raum voranzutreiben, ist das weitere – möglicherweise verstärkte – Engagement der Stadt Oberkirch im Mobilitätsnetzwerk Ortenau notwendig. Aus unserer Sicht kann nur durch eine überregionale Vernetzung die Akzeptanz der nachhaltigen Mobilität steigen und eine flächendeckende ÖPNV-Versorgung gemeinsam bei den Verantwortlichen eingefordert werden.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Gedanken!